Wie schwulenfeindlich ist die HipHop-Szene wirklich?

Nach dem Outing von Rapper Frank Ocean – wie schwulenfeindlich ist die HipHop-Szene wirklich? 

Der US-amerikanische HipHop-Musiker Frank Ocean, der als Christopher Breaux zur Welt kam und mit vollem Namen Christopher Francis Ocean heißt, bekannte sich im Juli 2012 öffentlich dazu, schwul oder zumindest bisexuell zu sein.

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Vorausgegangen war diesem Outing eine Veranstaltung, bei der Medienvertretern einige Songs aus dem bevorstehenden Album “channel ORANGE” vorgestellt worden waren.

Nachdem in einigen Stücken wie “Bad Religion“ oder “Pink Matter“, bei denen es in erster Linie um die Liebe geht, die Wortwahl auf einen Mann als Lebenspartner hindeutet, kamen Gerüchte über die Sexualität des Rappers auf. Also entschied sich Frank Ocean dazu, einen offenen Brief in seinem Blog zu veröffentlichen.

Darin gesteht der HipHop-Künstler, dass er sich im Alter von 19 Jahren in einen gleichaltrigen Mann verliebt habe und nennt diesen Mann seine erste große Liebe. Sein damaliger Freund, der mit einer Frau liiert war, hatte die Gefühle nicht erwidert.

Trotzdem stellte Frank Ocean seine bisherigen Beziehungen mit Frauen in Frage und empfand die Situation als schwierig und ausweglos. Er nennt seine Erinnerungen eine Sprache, die er seinerzeit noch nicht verstanden habe. Ursprünglich waren die Inhalte des Briefes übrigens für das Booklet seines Albums gedacht gewesen.  

Ist das Outing von Frank Ocean wirklich eine Sensation?

Obwohl es in der heutigen Zeit keine große Sensation mehr sein sollte, wenn sich jemand offen zu seiner Sexualität bekennt, egal ob diese nun hetero-, homo- oder bisexuell ist, stieß Frank Oceans Coming-Out auf großes Interesse in den Medien. Viele Musikexperten halten Frank Ocean, der Mitglied der HipHop-Gruppe „Odd Future“, Solokünstler und Songwriter ist, für den nächsten großen Superstern am HipHop- und R‘n‘B-Himmel.

Wenn ein solcher bedeutender Vertreter der Szene öffentlich über seine sexuelle Orientierung spricht und diese noch dazu so gar nicht in das gängige Klischee passt, dann kann dies durchaus eine Schlagzeile wert sein. Entscheidend dabei ist aber der Kontext. Wäre Frank Ocean kein Mann, wäre er nicht im Showbusiness tätig und würde er nicht in den USA leben, wäre er also irgendein Privatmann, der irgendwo wohnt, würde sich wohl kaum jemand für seine Liebschaften interessieren.

Aber Frank Ocean ist nun einmal ein männlicher HipHop-Künstler und Staatsbürger Amerikas. Dabei scheint sich in den USA allmählich ein Wandel abzuzeichnen. So macht sich Präsident Obama für die Homo-Ehe stark und auch homosexuelle Nachrichtensprecher wie beispielsweise Anderson Cooper sind kein Tabu mehr.

Außerdem ist die Homosexualität schon längst auch in der HipHop-Szene angekommen. Syd the Kyd, Yo Majestry oder die Deep Dick Collective sind nur drei prominente Beispiele, Kanye West setzt sich schon lange gegen die Diskriminierung von Schwulen und Lesben ein und selbst Eminem, ein vermeintlicher Bösewicht der Szene, arbeitet friedlich vereint mit schwulen Künstlern wie Elton John zusammen. Insofern ist das große Medieninteresse doch ein wenig verwunderlich.

Natürlich ist es positiv, wenn sich HipHop-Kollegen wie 50 Cent, Tyler, the Creator, Beyoncé oder Jay-Z hinter Frank Ocean stellen und ihn für seine Offenheit loben. Wenn Russell Simmons, Gründer des Labels Def Jam, aber von einem großen Tag für den HipHop spricht und die Medien das Bekenntnis fast schon mit einem Paradigmenwechsel gleichsetzen, scheint der ganze Rummel doch irgendwie ein wenig übertrieben. 

Nach dem Outing von Rapper Frank Ocean – wie schwulenfeindlich ist die HipHop-Szene wirklich? 

Sicherlich ist unbestritten, dass der männerdominierten HipHop-Szene eine ausgeprägte Schwulenfeindlichkeit anhaftet. Ein Paradebeispiel dafür lieferte der Berliner HipHop-Star Bushido. Als er in einem seiner Songs davon sprach, „Tunten vergasen“ zu wollen, hagelte es Protestmails von allen Seiten und selbst die Staatsanwaltschaft schaltete sich wegen Volksverhetzung ein.

Nur in der HipHop-Szene selbst schien sich niemand so wirklich an der Aussage zu stören, auch wenn sich der Rapper später entschuldigte und die Textstelle strich. In der HipHop-Kultur ist das Wort „Gay“ nach wie vor ein Schimpfwort und viele Größen der Szene versichern regelmäßig, dass sie „No homo!“ sind. Auf der anderen Seite liegt der sogenannte Hipster-Rap im Trend und hierzu gehört auch, szene-untypische Klamotten wie Karohemden und enge Hosen zu tragen.

Damit drängt sich der Verdacht auf, dass die HipHop-Szene gar nicht so schwulenfeindlich und festgefahren ist, sondern dass dieses Bild in erster Linie von den Medien aufrechterhalten wird, um sich regelmäßige Schlagzeilen zu sichern.


Interessant ist, dass Frank Ocean in seinem Bekenntnis keine klaren Worte benutzt, sondern letztlich nur von Liebe spricht. Den großen Rummel hat also eigentlich gar nicht er ausgelöst. Vielmehr waren es die Medien, die sein Bekenntnis und die vielen positiven Kommentare dazu nutzen, um Frank Ocean zu einer Art Aushängeschild für eine neue HipHop-Bewegung zu machen, in der es eben auch schwule Künstler gibt, die offen zu ihrer Sexualität stehen.

Ein wirklich großer Schritt für den HipHop, wie Russell Simmons sagt, war das Bekenntnis von Frank Ocean vermutlich nicht. Es war zwar sicher ein richtiger Schritt auf dem Weg zur Enttabuisierung der Homosexualität, unterm Strich lässt sich aber ein ganz anderes Fazit ziehen.

Frank Ocean hat durch die Veröffentlichung seines Briefes nämlich etwas gemacht, was den HipHop schon seit jeher kennzeichnet: Er hat bewiesen, dass er Mut hat. Es ist nun einmal mutiger, sich öffentlich zur Homo- oder Bisexualität zu bekennen als vermeintlich szenetauglich irgendwelche schwulenfeindlichen Parolen von sich zu geben. Und gerade die sprichwörtlichen Eier zu haben, öffentlich seine Meinung zu sagen, ist genau das, was den HipHop ausmacht.

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